Führungskraft werden – Zwischen Anspruch, Realität und Neubeginn
- Barbara Burkner

- 9. Mai
- 4 Min. Lesezeit
(Teil 1 von 3 der Serie Führungskraft Werden, Sein, Loslassen)
Kürzlich war ich geschäftlich unterwegs – ein langer Tag voller Termine, gefolgt von einem gemeinsamen Abendessen mit einem Geschäftspartner. Was als geselliges Beisammensein begann, endete in einer Zigarrenlounge – dem Treffpunkt einer kleinen, elitären Runde aus Top-Management-Kollegen. Führungskräfte, die jahrzehntelang in Konzernen das Sagen hatten, lenkten, führten, organisierten. Doch was ich an diesem Abend sah, hat mich tief bewegt. Und auch erschüttert.
Was mir gegenüber saß, waren nicht kraftvolle Vorbilder moderner Führung – es waren gezeichnete Gesichter und müde Blicke. Herzschrittmacher, Operationsnarben, zynische und sarkastische Kommentare. Einige waren bereits „draußen“, frühverrentet oder freigestellt. Andere trieben, innerlich längst gekündigt, noch im System. Sie waren Relikte eines Systems, das sie selbst jahrzehntelang mit aufgebaut haben, um auf den letzten Metern vor der Rente schließlich an dem System zu zerbrechen.
Das Ende eines toxischen Zyklus
Diese Runde offenbarte mir den Status quo:
Körperlich und mental erschöpft bis beschädigt
Gefangen in Kompensation – Rauchen, Alkohol, exzessiver Sport
Familien zerbrochen, Beziehungen zerschlissen (für den Erfolg, der am Ende nichts mehr wert war)
Frust, Zynismus, Resignation statt Erfüllung, Wirkung, Würde
Wie konnte es so weit kommen? Warum gilt dieser Weg des Ausbrennens immer noch als „normal“? Warum ist Führung in vielen Organisationen ein Spiel aus Macht, Druck und Angst – statt Entwicklung, Vertrauen und Sinn?
Es braucht ein neues Verständnis von Führung
Führung heute muss mehr leisten als Karriere um jeden Preis. Wir brauchen ein neues Narrativ. Eines, das Zukunft schafft – für uns selbst, für unsere Teams, für kommende Generationen.
Wertschätzung statt Selbstaufgabe
Nachhaltigkeit statt Selbstzerstörung
Gesunde Führung statt krankmachender Statusspiele
Mut statt Mitläufertum
Werte statt Angst
Und genau deshalb starte ich mit diesem Beitrag eine dreiteilige Blogserie: „Führungskraft – Werden, Sein, Loslassen“Denn Führung ist kein Titel. Führung ist eine Haltung. Führung ist ein Weg. Und der beginnt mit dem Werden.
Werden: Warum will ich überhaupt Führungskraft sein?
Viele werden Führungskraft, weil sie die besten Fachkräfte sind. Oder weil sich sonst niemand findet. Manche, weil sie „nerven“, anecken, unbequem sind – sie werden einfach von ihrer aktuellen Position „wegbefördert“. Die wenigsten, weil sie wirklich dazu berufen sind.
Und noch seltener höre ich Aussagen wie:
„Ich hatte einen tollen Mentor. Ich wollte genau so führen wie er/sie.“
Meist sind es Abgrenzungen:
„Ich will es anders machen als mein früherer Chef.“
Das ist verständlich – aber es ist ein Vermeidungsansatz, kein Entwicklungsimpuls. Viele starten in ihre Führungsrolle ohne Orientierung, Ausbildung, Anleitung oder klares Selbstbild. Und landen schnell zwischen den Mühlen der Erwartungen.
Was dabei oft fehlt:
Ein echtes Rollenverständnis
Ein klares Wertefundament
Die Fähigkeit zur Selbstreflexion
Und: Menschen, die ihnen auf diesem Weg als Mentoren und Vorbilder zur Seite stehen

In der Hoffnung, es intuitiv irgendwie „besser“ zu machen, geraten sie oft in Überforderungsmuster:
Sandwich-Position: Zwischen Mitarbeitern und nächsthöherem Management zerrieben
Vermeidungsstrategie: Führen, um bloß nicht zu werden wie die alten Chefs
Gefallsucht: Allen gefallen wollen, um Konflikte zu vermeiden
Planlosigkeit: Kein klares Selbstbild, keinen Werterahmen
Das Ergebnis: Stress, Verwirrung, Druck – und langfristig die Gefahr, selbst zu dem zu werden, was wir eigentlich vermeiden wollten.
Was braucht es wirklich, um eine gute Führungskraft zu werden?
Es beginnt mit Klarheit. Mit Selbstreflexion und sich selbst ehrlich zu fragen:
Warum will ich führen?
Was verstehe ich unter guter Führung?
Was brauche ich, um zu wachsen – nicht zu zerbrechen?
Habe ich ein klares Bild davon, wer ich bin und was ich werden will?
Kenne ich meine Stärken – und meine blinden Flecken?
Habe ich den Mut, um Hilfe zu bitten, wenn mir Wissen, Kraft oder Klarheit fehlt?
Bin ich bereit, wirklich zuzuhören – meinen Mitarbeitern, meinen Kunden, meinen Projektpartnern und mir selbst?
Kann ich emotional intelligent und partnerschaftlich kommunizieren?

Gute Führung bedeutet nicht, alles zu wissen. Sie bedeutet, zuzuhören, um Hilfe zu bitten, wo Klarheit fehlt, und Emotionale Intelligenz zu entwickeln, statt einfach nur Leistung zu erwarten.
Gute Führung bedeutet auch Ruhe und Beständigkeit auszustrahlen.Vorbild zu sein – nicht perfekt, aber klar und integer.Kooperation in alle Richtungen zu gestalten – 360 Grad.Verantwortung zu übernehmen – nicht nur für Ergebnisse, sondern auch für Menschen.Sich in den Dienst der Sache zu stellen – mit Freude, Lust auf Entwicklung und persönlichem Wachstum.
Führung ist kein Ego-Trip
Der wichtigste Leitsatz für angehende Führungskräfte lautet:
Es geht nicht um dich. Es geht um die Menschen, das Team, die Sache, das Ziel. Wer das verinnerlicht, ist bereit, Verantwortung zu tragen und einen Beitrag zu leisten.
Führung ist Dienstleistung auf höchstem Niveau – für Menschen, Projekte, Organisationen. Nicht unterwürfig, sondern dienend im besten Sinne: für ein funktionierendes Team, eine klare Richtung, ein sinnvolles Ergebnis. Wer darin Freude und Entwicklung findet, wird nicht nur eine gute Führungskraft, sondern auch ein erfüllter Mensch.

Fazit: Führen beginnt mit Werden – und mit Verantwortung
Wer heute Führungskraft werden will, braucht nicht nur Fachwissen, sondern ein starkes Wertefundament, ein reflektiertes Selbstbild und vor allem den Willen zur menschlichen Reife und den Wunsch sich selbst und andere weiterzubringen.
Die Welt braucht keine weiteren Spielteilnehmer im alten System, die Zigarre-rauchend und vor Sarkasmus triefend am Ende einer Karriere frustriert und ausgebrannt sind.Sie braucht neue Spielgestalter.
Führung beginnt mit der Entscheidung, bewusst Verantwortung zu übernehmen – für Menschen, Sinn und Zukunft.
In Teil 2 geht es um das Sein: Wie gestalte ich meinen Führungsalltag gesund, wirksam und mit Haltung?
Und in Teil 3 beleuchten wir das Loslassen: Warum echtes Leadership auch darin besteht, Macht und Verantwortung abzugeben, Wissen weiterzugeben und Raum für Neues zu schaffen.







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