Transgenerationale Epigenetik: Wie unser Lebensstil unsere eigene und die Gesundheit künftiger Generationen beeinflusst
- Barbara Burkner
- 15. Apr.
- 5 Min. Lesezeit
Die faszinierende Wissenschaft der Epigenetik beschäftigt sich mit den massiven Einflüssen unseres Lebensstils auf unsere Gesundheit. Ernährung, Bewegung, Schlaf und sogar unsere Gedanken und Gefühle machen den epigenetischen Unterschied wie wir unsere Gesundheit und die unserer Nachkommen beeinflussen. Einfach gesagt: Epigenetik ist wie ein DJ für unsere Gene. Sie verändert nicht die DNA selbst, sondern steuert, welche Gene laut oder leise gespielt werden.
Gesundheit wird dabei als ein Zustand des umfassenden körperlichen, mentalen und sozialen Wohlbefindens verstanden. Nur 1% unserer Erkrankungen haben ihren Ursprung in unserem Genom – der gesamte Satz an Erbinformationen, der in jeder Zelle unseres Körpers gespeichert ist – in jeder unserer 50 bis 100 Billionen Zellen gleich ist. Jedoch sind 99% der erlebten Erkrankungen verursacht durch unsere Epigenetik! Dies zeigt, dass unser Lebensstil tiefgreifende Auswirkungen auf unsere Gesundheit hat. Die Epigenetik-Forschung weiß mittlerweile, dass diese Mechanismen nicht nur für unser eigenes Leben gelten, sondern auch an die Generation unserer Kinder und Enkelkinder über das Epigenom weitergegeben werden!

Die Rolle der Epigenetik
Unser Genom enthält die DNA, die alle Informationen über unseren Körper und seine Funktionen bereitstellt. Wissenschaftler gehen davon aus, dass es bis zu 1 Million verschiedene Proteine (Enzyme, Immunzellen, Hormone, etc.) im menschlichen Körper gibt, die von den Genen erzeugt werden. Wie diese Proteine jedoch produziert werden, hängt von epigenetischen Faktoren ab. Das Epigenom, der „Mantel“ aus chemischen Markierungen um die DNA, bestimmt, welche Gene abgelesen und „ein- oder ausgeschaltet“ werden, und beeinflusst somit direkt, wie gut unser Körper im Hier und Jetzt mit seinem Erbgut funktioniert.
Vererbung von Erfahrungen: Ein Experiment
Ein Experiment mit Labormäusen an der Technischen Hochschule Zürich am Institut für Hirnforschung zeigt eindrücklich, wie traumatische Erlebnisse das epigenetische Muster verändern – und diese Veränderungen über Generationen hinweg vererbt werden. Mäuse, die traumatischen Erlebnissen ausgesetzt waren, zeigten Veränderungen in der Genaktivität, die ihre Stressreaktionen beeinflussten. Diese Veränderungen wurden ebenfalls bei Ihren Nachkommen nachgewiesen, obwohl die Kinder niemals Kontakt mit den traumatisierten männlichen Tieren hatten.
Diese Ergebnisse legen nahe, dass epigenetische Veränderungen, die durch Umwelteinflüsse oder Traumata hervorgerufen werden, über die Keimbahn (also durch Samenzellen und Eizellen) an Nachkommen weitergegeben werden können – ein faszinierender und potenziell auch erschreckender Gedanke. Da Mäuse dem Menschen zu 96 % genetisch ähnlich sind, gehen Wissenschaftler davon aus, dass diese Erkenntnisse auf den Menschen übertragbar sind.

Wie transgenerationale Epigenetik Krankheiten beeinflussen kann
Die Forschung zeigt, wie Ängste, Depressionen oder sogar Schizophrenie, durch epigenetische Mechanismen von einer Generation zur nächsten weitergegeben werden können. Ein Beispiel hierfür ist die Studie von Lambert Lumey, der den „Hungerwinter“ in den Niederlanden untersuchte. Frauen, die in dieser Zeit schwanger waren und Hunger erlitten, brachten Kinder zur Welt, die selbst in späteren Jahren gesundheitliche Probleme hatten. Überraschenderweise waren auch ihre Enkel von den Auswirkungen betroffen, obwohl sie nie Hunger erlebten.
Ein weiteres Beispiel ist die Vererbung von Fettleibigkeit und Insulinresistenz. Studien belegen, dass epigenetische Veränderungen durch Umweltfaktoren wie ungesunde Ernährung über die männliche Keimbahn vererbt werden können, was langfristig das Risiko für diese Erkrankungen in den Nachkommen erhöht.
Umwelteinflüsse und ihre Auswirkungen auf das Epigenom
Nicht nur traumatische Erlebnisse oder Ernährungsgewohnheiten hinterlassen ihre Spuren im Epigenom, sondern auch Umweltgifte wie das Herbizid Glyphosat. Eine Studie von 2019 betreut von Michael Skinner von der Washington State University an Ratten zeigte, dass die Verabreichung von Glyphosat nicht nur für die betroffenen Tiere gesundheitsschädlich ist, sondern auch für deren Nachkommen. Krankheiten wie Prostatakrebs, Fettleibigkeit und Nierenerkrankungen wurden bei den Nachkommen der Tiere festgestellt, die nie direkt mit dem Toxin in Kontakt kamen.
Hier zeigen sich zwei wesentliche Mechanismen der Epigenetik, über die Umwelteinflüsse vererbt werden können: Histonmodifikation, DNA-Methylierung und microRNAs. Diese epigenetischen Markierungen können die Aktivität von Genen verändern, ohne die DNA-Struktur selbst zu verändern – und sie können, unter bestimmten Bedingungen, auch an die nächste Generation weitergegeben werden.
Die gute Nachricht: Veränderung ist möglich
Die Ergebnisse vieler Studien über die Vererbung des Epigenoms machen deutlich, dass folgende Aspekte der Ahnen einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf das eigene Leben haben:
• Glaubenssätze, Träume und Wünsche
• Enttäuschungen
• Beziehungen
• Einstellungen
• Lebensstil
• Umweltbedingungen
Das Erkennen der konstruktiv bzw. destruktiv wirkenden Mechanismen der Vorfahren hilft, deren Wirkung auf das eigene Leben zu verstehen. Eine Veränderung des Lebensstils, wie eine verbesserte Ernährung, regelmäßige Bewegung und Entgiftung sowie eine positive Haltung zum eigenen Leben, hilft epigenetische Markierungen aufzubrechen und so negative Auswirkungen auf die eigene Gesundheit und das Wohlbefinden der Nachkommen zu verhindern.
Transgenerationale Epigenetik im Coaching
Im Bereich des Coachings werden die Auswirkungen von transgenerationaler Epigenetik in persönlichen und familiären Dynamiken sichtbar gemacht. Durch Methoden wie Genogramm Arbeit (der Darstellung eines komplexen Familienstammbaums) und systemische Aufstellungen werden die epigenetischen Muster, die über Generationen hinweg weitergegeben wurden, erkannt und können so verändert werden.
Die Umbewertung von einschneidenden Erfahrungen – ist ein weiterer wichtiger Teil des Epigenetik-Coachings. Hierbei geht es darum, belastende Erlebnisse aus der Vorgeneration im Hier und Jetzt neu zu bewerten, um ihre negativen Auswirkungen auf das eigene Leben und das der Nachkommen zu minimieren oder aufzuheben.
Systemische Einzelaufstellung
Die Systemische Einzelaufstellung basiert auf der Aufstellungsarbeit von Bert Hellinger, der seit 1978 mit seiner Forschung über das Stellvertreter-Phänomen begann. Es beruht auf der Wahrnehmung von Gefühlen, die nicht zur Person selbst gehören, sondern zu der Person, für die sie stellvertretend stehen = repräsentierende Wahrheit. Die Erklärung dafür liefert die Quantenphysik. Das Quantenfeld oder auch morphisches Feld genannt ist fähig, Informationen zu registrieren und ist weitgehend unabhängig von Zeit und Raum. Daher kann diese Methode für die transgenerationale Arbeit ergänzend genutzt werden.
Fragetechniken zum Verzeihen von Ahnen
„Durch das Verzeihen erlangen wir eine innere Freiheit. Wir durchtrennen ein Gummiband, das uns immer wieder in die Vergangenheit zieht. Dadurch können wir uns auf die Gegenwart konzentrieren und unsere Kreativität und Neugier können sich wieder entfalten.” (Diplom-Psychologin Dr. Doris Wolf)
Fazit: Die Macht des Lebensstils
Ein schönes Bild, das die epigenetische Wirkung gut beschreibt, ist das eines Kochbuchs: Deine Gene sind wie Rezepte, die deine biologische Grundlage bestimmen. Doch das Epigenom ist wie ein Post-It, das du zu deinem Rezept hinzufügst – ein Hinweis, der das Ergebnis beeinflusst. Deine Kinder und Enkel können dieses Post-It verwenden, es ändern oder sogar ganz entfernen – sie haben die Freiheit, das Rezept nach ihren Vorstellungen zu gestalten.

Unser Lebensstil, unsere Gedanken, unsere Ernährung und die Umwelt, in der wir leben, haben tiefgreifende Auswirkungen nicht nur auf uns selbst, sondern auch auf die kommenden Generationen. Wenn wir uns bewusst mit diesen Einflüssen auseinandersetzen und Veränderungen vornehmen, können wir die Gesundheit und das Wohlbefinden unserer Nachkommen positiv beeinflussen – und das über mehrere Generationen hinweg. So können wir unsere Potenziale zielgerichtet nutzen, je nachdem in welcher Umwelt wir aktuell leben.
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